Beitrag von Dr. Hermann Hinsch vom 2.1.2022
Oder: Suchen, um nicht zu finden (FAZ 2008)
Das Hauptargument gegen Kernenergie war immer die angeblich ungelöste Endlagerfrage.
Nun sorgen vor allem die „Grünen“ dafür, dass das Thema wieder groß in die Medien kommt.
Es hieß bei den Kernenergiegegnern immer, sich mit der Frage der Endlagerung zu befassen
hat erst dann Sinn, wenn alle Kernkraftwerke abgeschaltet sind und damit kein neuer Abfall
dazu kommt. Dieser Zeitpunkt ist nun in Deutschland gekommen und wird gefeiert.
Aber ein leichtes Unwohlsein bleibt. Im Gegensatz zur Klimahysterie zieht bei der
Strahlenhysterie die übrige Welt nicht mit. Zwar gibt es überall Strahlenhysteriker, aber in
den meisten Ländern sind sie eine Minderheit. So sind z.B. im japanischen Parlament etwa
100 Abgeordnete verschiedener Parteien strikt gegen Kernenergie, aber über 500
Abgeordnete sind dafür oder jedenfalls neutral. In Finnland ist die Mehrheit der Bevölkerung
für Kernenergie.
Dort geht nun bald der Kernkraftblock Olkiluoto 3 ans Netz, mit 1,6 GW. Neue Reaktoren
gibt es auch anderswo, den koreanischen Reaktor Shin-Kori 4 (1,34 GW), die chinesischen
Blöcke Sanmen 1 und 2 (je 1 GW), den russischen Leningrad II-1 (1,085 GW). Im August
2020 ging in den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) der Reaktor Barakah 1 ans Netz
und im September 2021 Barakah 2 mit je 1,4 GW.
Warum macht ein Land mit so viel Sonne, Öl und den fünftgrößten Erdgasreserven der Welt
so etwas? Die Sonne hilft auch dort nur tagsüber. Elektrische Energie erzeugen ganz
überwiegend Gaskraftwerke. Aber die Kilowattstunde aus einem Kernkraftwerk kostet nur ein Viertel gegenüber einer mit Gas erzeugten! Zurück nach Deutschland: Hier werden
umgekehrt Kernkraftwerke durch Gaskraftwerke ersetzt.
Etwas noch Wichtigeres läuft in den Emiraten genau entgegengesetzt wie bei uns. Wir
beurteilen Orientalen falsch, da wir nur die hier eingewanderten Flops sehen. Intelligente
Leute finden auch dort ihr Auskommen. Allerdings hapert es oft an der Ausbildung. Noch hat
man im nuklearen Bereich viele Ausländer nötig. Sogar in der Überwachungsbehörde, welche
die UAE natürlich aufbauen musste, stammen 33 % des Personals von anderswo. 29
verschiedene Nationalitäten sind vertreten. Nicht nur in dieser Behörde, sondern in der ganzen Kerntechnik wird angestrebt, langfristig die Ausländer durch Einheimische zu ersetzen. Auf
allen Ebenen, von den Universitäten abwärts, werden Einheimische ausgebildet.
Über den Nuklearsektor hinaus bedeutet technische Bildung, dass das Land dann kompetente
Menschen für alles hat, die unsere Zeit verstehen können.
Hier in Deutschland sind die meisten Studenten für Fächer außerhalb von MINT
eingeschrieben (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik). Die Nicht-MINT-
Fächer haben teilweise ihre Berechtigung. Es ist in ihnen aber möglich, im Gegensatz zu
MINT, die Anforderungen beliebig zu senken. So kann man z.B. über einen kaum bekannten
Dichter etwas zusammenschreiben, das kaum jemanden interessiert, und bekommt den
Dr. Hermann Hinsch


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Doktortitel. Um Dr. Ing. zu werden, muss man dagegen etwas zustande bringen, das Hand
und Fuß hat und möglicherweise von allgemeinem Nutzen ist.
Können Leute, die schon mit den Grundrechenarten Schwierigkeiten haben, an Energiefragen
beteiligt werden? Aber ja, sagen die „Grünen“. Solche Leute müssen dafür sogar Geld
bekommen, wie die sogenannte „Asse-Begleitgruppe“. Oder aus einer Stellungnahme des
BUND (Stellungnahme 17/2708 an den Landtag Nordrhein-Westfalen, 17. Wahlperiode:
„Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen müssen finanziell so ausgestattet werden, dass
sie Anwält*innen und Gutachter*innen in den Begleitprozessen finanzieren können. (Gleiche
Augenhöhe)“.

Auf diese Art wird die Endlagerung eine unendliche Geschichte, und das soll sie ja auch
werden. Allein die Suche nach einem Standort wird mindestens bis 2031 dauern, sagt
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE),
im Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 31.12.2021. Herr
König muss es ja wissen, denn er ist von Beruf Gartenbauer! Offensichtlich kann man sich
selbst als Gärtner als Dipl.-Ing. bezeichnen.
Worum geht es überhaupt bei radioaktiven Abfällen? Sind die gefährlich? Ich habe das in
meinem Buch über die Asse dargestellt. Sie werden hin und her transportiert und gerade die
Hochaktiven stehen an der Oberfläche. Nein, in der ganzen Welt seit einem halben
Jahrhundert ist durch diese Abfälle niemand zu Schaden gekommen, jedenfalls nicht durch
Strahlung. Mit der Gefährlichkeit von Fahrrädern nicht zu vergleichen. Halt, bei geduldigem
Suchen im Internet findet man doch einen Unfall, hervorgerufen durch unglaublichen
Leichtsinn. Es starben ein Mann und sein Hund (Estland, Tammiku, 1994).
Wenn also das Lager Gorleben mit etwa 2,5∙10 19 Becquerel Aktivität über der Erde vom
Standpunkt der Gefährlichkeit mit Null bewertet werden kann, wie ist dann die Gefahr durch
die in der Asse tief unter der Erde liegenden Abfälle (3,8∙10 15 Bq) zu beurteilen, d.h. was ist
ein Zehntausendstel von Null? Eine ganz unheimliche Gefahr, der man mit einem
Milliardenaufwand begegnen muss! So haben alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages
gestimmt, damals noch ohne die AfD.
Kann man da noch treuer Staatsbürger sein? Ich weiß nicht recht.
Hannover, den 02.01.2022